Hattet ihr auch schon mal den Eindruck es wäre die Beste, wenn nicht sogar einzige, Überlebensstrategie ein möglichst runder Flusskiesel zu sein?
Ohne Ecken – Ohne Kanten!
Blöd nur, dass keiner von uns als Flusskiesel geboren wurde.
Es fühlen sich auch nur die wenigsten unter uns wohl in ihrem Dasein als Flusskiesel. Dennoch werden spätestens mit unserem Eintritt in den Kindergarten und dadurch ins System die uns angeborenen Ecken und Kanten abgeschliffen.
Der Kindergarten und die Schule gleichen einer Muffinfabrik. Es gibt viele kunterbunte Förmchen die sehr sympathisch und individuell wirken. Trotz der vielen verschiedenen Farben und tollen Worten wie „Bedürfnisorientiert“ oder „Wir begleiten individuell“ bleibt die Größe der Förmchen gleich. Wir Eltern dürfen ein hübsch gefärbtes Förmchen wählen in das unsere Kinder dann als Rohmaterial eingepasst werden.
Ob auf der Muffinform „Montessori“, „Waldorf“ oder „Antiautoritär“ steht ändert nichts an der Größe der vorgegebenen Förmchen.
Werden (junge) Menschen derart durchgeknetet und in Förmchen gepresst passieren zweierlei Dinge. Außerhalb der Form und Norm liegende Fähigkeiten, Gedankenmuster oder Eigenschaften werden gnadenlos abgeschnitten. Noch viel schlimmer ist es aber an den Stellen wo wir nicht in der Lage sind das vorgegebene Förmchen auszufüllen. Es entsteht das Gefühl selbst nicht nur nicht gut, sondern nicht genug zu sein.
Und dieses Gefühl schleppen wir ab unserem Eintritt ins System mit durchs Leben.
Ich traue mich fast zu behaupten je früher Kinder ins System eintreten (oder hinein getreten werden) umso mehr Gewicht hat dieses Gefühl des nicht genügens in ihrem Lebensrucksack.
Als Kind hat man wenig Einfluss darauf wann und wie wir die verschiedenen Anpassungsschritte durchlaufen und wie die Förmchen aussehen in die wir gepresst werden.
Umso wichtiger ist es als Erwachsene tätig zu werden und Individualität zu leben.
An der Stelle frag ich mich: Reicht es aus, wenn Menschen die Möglichkeit kriegen ihr volles Potenzial mit allen Ecken und Kanten zu Leben?
Vermutlich nicht.
Beobachte ich die Menschen in meiner Umgebung stelle ich fest, dass viele ihre Individualität längst zu Grabe getragen haben. Zu lange im System, zu lange als Kiesel irgendwo mit dem Strom unterwegs. Und da geraten dann viele in eine Spirale der Schuldzuweisungen. Die Schuld an der eigenen Lage lässt sich nur zu leicht an andere abschieben. Zuerst an die Eltern, weil die eigene Kindheit anders verlaufen ist als wünschenswert gewesen wäre. Dann an die Lehrer, die Kollegen, den Partner.
ABER: Wenn ich mich mein Leben lang in dem für mich bereitgestellten Förmchen breit mache ohne auch nur den Mut zu haben darüber hinaus zu quellen – woher soll mein Gegenüber dann wissen, dass ich dort überhaupt nicht reinpasse? Nur wer selbst weiß was er kann und will, darf sich seinen Bedürfnissen entsprechende Behandlung erwarten!
Also auf gehts! 🙂 Lasst uns heraus finden was unsere indivudellen Bedürfnisse und Fähigkeiten sind um dann unser Umfeld daran teilhaben zu lassen. Nur so kriegen wir und die Menschen in unserer Umgebung die Chance so behandelt zu werden wie es uns entspricht.
PS: Außerdem sollten wir, wenn wir beim Blick in unseren Lebensrucksack vom Gefühl des „Nicht genug seins“ übermannt werden vor Augen halten, dass es viel mehr darum geht gut ZU einander zu sein als gut genug FÜR was auch immer!