Wie ich immer zu sagen pflege: Das Leben ist eine Busfahrt. Einen Teil der Strecke fährt man zusammen, manchmal steigt wer zu, manchmal auch wieder aus. Dann fällt ein Anschlussbus aus und man muss an der Haltestelle sitzen bleiben. Oder man steigt spontan in einen anderen Bus der in eine völlig neue Richtung fährt.
Mittlerweile ist mir klar, dass das so nicht ganz stimmt.
DAS Leben ist keine Busfahrt. Sondern MEIN Leben ist eine Busfahrt.
Das Leben anderer Menschen ist ein Spaziergang, eine Rutschpartie oder eine Autofahrt auf irgendeinem Highway, oder ein holpriger Trip irgendwo durchs Gelände wo sonst kein Bus, Auto oder sonst was fährt.
Die Vorteile vom Leben im eigenen Auto auf der Autobahn liegen klar auf der Hand. Man sitzt selbst hinterm Steuer, kann die Geschwindigkeit und die Richtung bestimmen. Man kann auch Pause machen wann man will und sich selbst den Rastplatz aussuchen auf dem man eine Zeit innehalten will. Zwischendurch kann man stolz darauf sein wie clever die Route gewählt wurde und wie weit man bisher gekommen ist. Das Autoradio spielt ausschließlich das was der Fahrer selbst hören will und das Navigationsgerät, das den Weg weist, kann einfach weggedrückt werden wenn man nicht in Stimmung für vorgeschlagene Routen ist. Außerdem lässt sich ein fest vorgenommenes Ziel schneller erreichen wenn man nicht durch andere Menschen, Busse oder Ausfälle abgelenkt wird.
So vorteilhaft und komfortabel eine Autofahrt allein auch klingen mag – sie hat wie alles andere im Leben Schattenseiten. Während man so allein im Auto sitzt fühlt man sich als wäre man unter Menschen. Schließlich steht man ja neben anderen an der Ampel oder hält sogar kurz Blickkontakt wenns um die Frage geht wer den Parkplatz bekommt. Doch das Gefühl trügt.
Nicht nur, dass man entgegen des eigenen Gefühls niemals wirklich Kontakt zu Mitmenschen hat. Man läuft auch Gefahr durch die hohe Geschwindigkeit mit der das eigene Ziel verfolgt wird an vielen tollen Abfahrten, Gelegenheiten oder Stationen vorbeizurasen. Auch das Risiko unabsichtlich etwas oder jemanden zu überfahren darf man nicht außer Acht lassen.
Und was hat das alles mit meinem Leben zu tun…?
Tja was will ich als Verkehrsexpertin jetzt eigentlich damit sagen?
Mein Leben ist eine Busfahrt – weil ich mich bewusst dafür entschieden habe! Ich mag es Schulter an Schulter mit Menschen zu sitzen. Auch die Gespräche übers Wetter oder andere irrelevante Themen finde ich gut. Es ist ein tolles Gefühl einfach nur drin sitzen zu können und die Landschaft draußen zu beobachten ohne zu wissen wer an der nächsten Haltestelle einsteigt oder sich neben mich setzt. Die Gespräche anderer Fahrgäste die man nur mitkriegt weil diejenigen viel zu laut sprechen, Typen die Fahrkarten kontrollieren und auch beim zehnten „Muss ich den Ausweis wirklich zeigen?“ noch freundlich bleiben. Für andere den Platz frei zu machen und einen Teil der Fahrt im Stehen zu verbringen. Der Duft von Zahnpasta und Parfum am Morgen bzw. von Schweiß und Essen auf dem Rückweg – all das gehört zur Busfahrt meines Lebens dazu.
Es erzählt Geschichten!!
Der Duft einer Jause erzählt von Mamas die sie morgens liebevoll vorbereitet haben. Eine Alkoholfahne gepaart mit Döner erzählt von einer lustigen durchtanzten Nacht. Laute Telefongespräche von Teenagern erzählen vom ganz normalen Wahnsinn den das Leben für uns bereit hält.
Manchmal müssen Menschen aussteigen weil ihre Haltestelle gekommen ist, obwohl man das Gespräch nicht zu Ende führen konnte – dann steigen wieder neue Menschen ein mit denen man sich super versteht. Ein weiterer angenehmer Aspekt so einer Busfahrt ist, dass man nicht auf Biegen oder Brechen sein Ziel fixieren muss. Der Bus fährt mal in eine Richtung und alle paar Meter bleibt er an einer Haltestelle stehen an der ich mich fragen kann: „Will ich raus und in einen anderen Bus? Oder bleib ich sitzen bis eine andere Haltestelle für mich kommt? Will ich ein Stück zu Fuß gehen oder an der Haltestelle sitzen um die Menschen in den vorbeifahrenden Bussen zu beobachten?“
Auch die Möglichkeit aus einem überfüllten Bus auszusteigen und in einem nachfolgenden Bus mit weniger Passagieren weiter zu fahren ist toll.
Und dennoch…auch eine Busfahrt birgt Risiken.
Es könnte sich ein Stinker neben mich setzen – oder ein Nörgler der nur im Bus sitzt um anderen von der Last auf seinen Schultern zu erzählen. Es könnte mir jemand meinen Rucksack klauen, ich könnte den Bus verpassen oder bei einer Vollbremsung stolpern. Dennoch möchte ich den Bus meines Lebens gegen nichts eintauschen. Nicht gegen einen Kleinwagen, einen Van oder eine Limousine.
Ich würde mich freuen viele Stationen mit Menschen wie dir zusammen im Lebensbus zu sitzen.
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