Es ist genug! Bin ich genug?

Gestern war wieder so ein Tag.
Ein Tag an dem mir alles zu viel war.
Ich war an einem Punkt an dem ich dachte „Genug ist genug!“
Aber…bin ich überhaupt genug?

Bin ich genug?

Gestern surfe durch die (a)sozialen Netzwerke. Bunte Bilder von Reisen, Essen und hübschen Menschen ziehen über den Bildschirm.

An einem Posting bleibe ich hängen!
„Ganz normales Familenchaos!“ lautet der Titel.

Auf dem Bild zu sehen ist eine perfekt geschminkte, wunderschöne junge Frau die in die Kamera lacht und den manikürten Daumen nach oben streckt.
Im Hintergrund sieht man zwei Kinder friedlich am Boden sitzend, in zwei sauberen (!), gebügelten Poloshirts in Nudetönen. Die Kinder sitzen auf einem strahlend weißen Hochfloorteppich und spielen zu zweit ohne zu Streiten mit pädagogisch wertvollem Holzspielzeug.
Außerdem ist da auch noch ein fingerabdruckfreier Glascouchtisch mit einem leckeren Glas Latte-Macchiato drauf.

Ich schau an mir runter – Jogginghose, ungeschminkt, zwei verschiedene Socken.

Ich dreh mich um und seh meine Kinder wie sie mit einer bewundernswerten Genauigket eine labberige Apfelspalte in die, ohnehin nicht weiße und nur mittelmäßig saubere, Couch einarbeiten.

Und dann beginnt es sich wieder zu drehen – das Gedankenkarussell.

Bin ich eine gute Mutter?

Bin ich eine gute Ehefrau?

Bin ich eine gute Hausfrau?

Warum sieht es bei mir nicht so aus?

Habe ich mich überschätzt?

Bin ich genug?

Dann leg ich mein Handy weg…
Ich höre meine Kinder zufrieden Kichern, weil sie in dem Moment einfach nur glückliche Kinder sind. Ich sehe meinen Großen wie er gerade dabei ist seine schmuddelige Stoffkatze mit der labberigen Apfelspalte zu füttern – und es spricht pure Liebe aus seinem Blick.

Und dann fällt mir wieder ein, dass Häuser in denen Kinder wirklich leben dürfen nun mal so aussehen, als wäre eine Horde wilder Piraten eingefallen und hätte ein Fest veranstaltet. Diese Häuser erzählen Geschichten – vom letzten Spiel, vom gemeinsamen Basteln, oder manchmal auch nur vom letzten oder vorletzten Abendessen.

Aber machen wir uns nichts vor.
Egal wie oft wir uns dran erinnern, dass das normal ist.
Es ist anstrengend. Es ist wahnsinnig anstrengend.

Dann ist da auch noch mein Mann, der sich mit dem begnügen muss, was nach einem anstrengenden Tag voller Chaos, Liebe und Haushalt noch von mir übrig ist.

Dann?
Mache ich das was fast jede Mutter mal macht.
Ich esse Amicelli in der Speisekammer und heule – während der Trommelwirbel an der Tür immer lauter wird.

In diesen Momenten bin ich so müde, dass ich mich selbst wundere wie ich es jeden Tag schaffe aufzustehen. An anderen Tagen wiederum, versuche ich krampfhaft alles am Laufen zu halten um dann mit Vollgas gegen die nächste Wand zu fahren.

Und doch…

Aber dann gibt es die wunderbaren Tage.
An denen sich kleine Arme nach mir ausstrecken und auf meinen Arm wollen, weil ich für sie die stärkste bin und kein Monster der Welt eine Chance gegen mich hat. Da sind strahlende Augen die mich voller Liebe ansehen während sie für mich die leckersten Sand-Torten zubereiten.
Da ist lautes Lachen wenn ich Blödsinn mache, weil ich in diesem Moment für die Kinder der lustigste Mensch der Welt bin.

Das einzige was wirklich gegen die Zweifel und Ängste hilft ist es, es sich zu erlauben. Wir dürfen erschöpft sein und uns fragen ob es das alles wert ist, ob wir genug sind.

Lasst uns doch einfach mal mit all unseren Fehlern Vorbild sein.
Vorbilder erschaffen sich nämlich nicht durch Perfektion, sondern durch unseren Umgang mit Krisen und den eigenen Fehlern und wie wir dazu stehen. Wie verzeihen wir, und wie bitten wir um Verzeihung?

Vielleicht haben unsere Kinder dann auch den Mut zu uns zu kommen, wenn sie selbst Fehler gemacht haben. Vielleicht trauen sie sich dann mit uns ihre Tränen, Freuden und Kämpfe zu teilen weil sie wissen, dass es uns genauso geht.

Und mit dieser Basis können Kinder dann die Stärke entwickeln die sie brauchen um glückliche, liebende Erwachsene werden die unsere Welt jeden Tag ein kleines Stück verbessern.

Unsere Kinder brauchen authentische, liebevolle Eltern mit Stärken und Schwächen. Kinder brauchen Liebe und Menschlichkeit – und keinen sauberen Hochfloorteppich!

6 Gedanken zu “Es ist genug! Bin ich genug?

  1. Du sprichst mir 100% aus der Seele!😊 Und den (a)sozialen Netzwerken (nettes Wortspiel!) statte ich u.a. aus dem Grund nur noch selten einen Besuch ab. Statt dessen: echtes Leben, echte Menschen. Mit Glanz in den Augen (JAWOHL, manchmal auch von Tränen) statt Hochglanz und Photoshop!🙂

    Habe übrigens zu dem Thema auch schon mal einen Artikel geschrieben: https://mutter-und-sohn.blog/2019/01/26/super-moms-warum-power-muetter-ganz-schoen-einschuechternd-sein-koennen/
    Lg, Sarah

    Gefällt 1 Person

  2. Was ist perfekt und was darf sein? Dieses Mal habe ich deinen Blog etwas differenzierter gelesen als sonst. Heute ist mir etwas aufgefallen, was so ein bisschen trickert. „(A)soziale Medien ist mir zu allgemein und zu wertig, denn auch wir sind Teil dieses Großen Ganzen. Und ich empfinde weder dich, soweit ich das aus deinen Blogs beurteilen kann, noch mich selbst als nicht sozial. Aber ich verstehe selbstverständlich was du damit ausdrücken wolltest. Diese „perfekte“ Welt, welche ich jetzt mal in Anführungszeichen setze ist schon ganz ok so wie sie erscheint. Denn sind Menschen, welche extrem viel Wert auf einen weißen Hochfloorteppich legen, deren Kinder leuchten und strahlen wie aus einer Zahnpastawerbung und die immer gestylt und top motiviert durch den Tag gehen nicht eher zu bemitleiden als zu beneiden, wenn man sie denn überhaupt werten sollte? Ich selbst ziehe mir viele kleine Ideen aus schönen Bildern, belächle diese akribische Sauberkeit und möchte nicht eine Sekunde auch nur ansatzweise tauschen. Ansonsten finde ich deinen Blog wieder einmal mehr wunderbar authentisch und mit einem Schmunzeln zu lesen. 🙂

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    1. Hallo Sue! 😃
      Danke vielmals für deinen Kommentar! Konstruktives Feedback ist mir jederzeit willkommen – damit kann ich arbeiten!
      In Bezug darauf, dass wir alle ein Teil des großen ganzen sind und niemand besser oder schlechter ist als der andere stimme ich dir zu 100% zu! 😃
      Das (a) vor den sozialen Netzwerken beziehe ich überhaupt nicht auf saubere Kinder/Wohnungen o.ä. sondern viel mehr darauf wie gerade Mütter untereinander in den sozialen Netzwerken miteinander umgehen. Viele Kommentare unter so manchen Postings sind nicht nur nicht besonders höflich, sondern teilweise wirklich auch nicht mehr sozial – daher das Wortspiel!
      Danke für dein Feedback! Ich freue mich immer wenn ich auch die Meinungen anderer zum Thema oder meinen Artikeln lesen darf!
      Alles Liebe
      Sonja

      Gefällt 1 Person

      1. Da hast du sowas von Recht, was die Kommentare untereinander angeht unter so manchen Posts. Für mich ist es z. B. aber auch interessant zu beobachten, dass gerade jene Blogger, welche das provokante Wortspiel dafür nutzen Reichweite zu bekommen, eben auch oft jene sind, welche am empfindsamsten (gibt es dieses Wort überhaupt ;-), wenn nicht, hab ich es jetzt mal schnell generiert und für gut empfunden) auf Kritik reagieren. Ich handle stets nacht dem Motto: „So wie es in den Wald hineinschreit, so kommt auch das Echo zurück.“ Deine Blogs liebe ich einfach, denn sie sind knackig, authentisch und immer mit einer sehr angenehmen Brise Humor bestückt. Weiter so. 🙂

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  3. Du hast wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Obwohl auch ich viel in den sozialen Medien unterwegs bin, wundere ich mich doch auch immer über die perfekt inszenierten Bilder, die das Bild der Super-Mom darstellen, die zu jeder Zeit alles im Griff hat und dabei auch noch perfekt aussieht. Vielleicht gibt es diese Spezies wirklich, ob ihre Kinder deswegen glücklicher sind, wage ich zu bezweifeln. In unseren Sofaritzen finden sich auf jeden Fall auch immer die wildesten Sachen wieder. Wir Mütter sollten aufhören so zu tun, als wäre es bei uns anders als bei all den anderen. Wir sind alle mal müde, kraftlos, es ist unordentlich und die Kinder sehen aus, als würden sie im Wald wohnen. Und das ist auch gut so!

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